Nachdem ich über die wichtigsten deutschen Beschwerdeprojekte berichtet habe, widme ich mich in einer neuen Serie den europäischen Beschwerdeseiten. Dabei beginne ich mit der türkischen Beschwerdeplattform Sikayetvar.
Gegründet vor 10 Jahren gehört dieses Projekt inzwischen zu den erfolgreichsten Webprojekten der Türkei. Weitgehend unter dem Radar der europäischen Start-up-Szene ist es dem Projekt gelungen, weit über 1 Millionen Beschwerden einzusammeln und dabei 4.000 gewerbliche Kunden zu gewinnen. Diese sind in offensichtlich großer Zahl bereit, für die Antwort- und Kommunikationsmöglichkeit mit ihren verärgerten Kunden, kostenpflichtige Premium-Zugänge zu erwerben.
Die Kosten für die Firmen-Zugänge richten sich offenbar nach der Größe der Unternehmen und der Anzahl der eingehenden Beschwerden. Den kleinsten Premium-Zugang für KMUs mit einigen wenigen Beschwerden biete Sikayetvar für 90 türkische Lira im Monat (ca. 40 Euro) an.
Im September 2012 erreichte die Anzahl der veröffentlichten Beschwerden mit 49.329 einen neuen Höchststand. 6.200.000 Monatliche Page Impression von 50k Unique Besuchern täglich machen Sikayetvar zur größten Bewertungsseite der Türkei und zu einer der großen europäischen Beschwerdeseiten.
Interessant ist in dem Zusammenhang auch, das auf Sikayetvar auch Unternehmen antworten, die in Deutschland jede öffentliche Stellungnahme auf Beschwerdeportalen grundsätzlich ablehnen.
Die Firma Vodafone, die es in Deutschland sogar ablehnt sich über die auf Beschwerdeportalen eingehende Reklamationen informieren zu lassen, beantwortet auf Sikayetvar jede Beschwerde (Antwortquote 100%) und hat es zusammen mit einer guten Lösungsquote sogar auf Platz 2 der in der Türkei tätigen Mobilfunkanbieter gebracht.
Ebenso IKEA, in Deutschland lehnt der Möbelgigant jede öffentliche Stellungnahmen auf Beschwerdeportalen ab, auf Sikayetvar aber hat IKEA fast jede Beschwerde beantwortet und es zusammen mit einer guten Lösungsquote sogar zum Branchensieger gebracht. Offensichtlich hat hier die Marktmacht von Sikayetvar grundsätzliche Bedenken der PR- und Social-Media-Verantwortlichen aufgewogen.
Das sogenannte Schwellenland Türkei ist im Bereich der internetbasierten Beschwerdekommuniktaion offensichtlich weiter als die Industrienation Deutschland mit leider nicht so weit entwickelten Beschwerdeportalen und bedenkentragenden Reputationsmanagern in den Unternehmen.